Virtueller Grüner Stammtisch zum Lesen
Auf Abstand in Verbindung, denn gemeinsam sind wir weniger allein
Der virtuelle Stammtisch vom 25. März 2020 zum Sessionsrückblick
Von Nationalrat Felix Wettstein
Auf Abstand in Verbindung, denn gemeinsam sind wir weniger allein
Der virtuelle Stammtisch vom 25. März 2020 zum Sessionsrückblick
Von Nationalrat Felix Wettstein
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Unterstützer*innen meiner politischen Arbeit in Bern
Heute Abend, genau jetzt, wäre ja der «Grüne Stammtisch» in Grenchen geplant gewesen, mit dem Rückblick auf die Frühlingssession im eidgenössischen Parlament. Aus bekannten Gründen müssen wir darauf verzichten. Ich hoffe, ihr habt es euch trotzdem gemütlich gemacht, vielleicht sogar mit einem edlen Tropfen. Als Ersatz für den entgangenen Stammtisch biete ich euch die nachfolgenden Gedanken und Informationen.
Gestern Abend habe ich im Radio SRF 1 in einem Interview mit dem Co-Leiter der Basler Gassenarbeit etwas aufgeschnappt, was ich euch gerne weitergebe: Wir sollen nicht auf «social distancing» gehen. Gefragt ist «physical distancing», aber nicht soziale Distanz, denn die macht krank und einsam. In diesem Sinne also auf Abstand und gleichwohl verbunden.
Gerne hätte ich euch an dieser Stelle vom revidierten und hoffentlich ehrgeizigen C02-Gesetz berichtet; oder von einem griffigen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative, welcher erlaubt hätte, die Initiative noch zurückzuziehen. Ich hätte euch gerne vom Entscheid zu «Ehe für alle» berichtet, vom erfolgreichen Beschluss zur Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose, von der schwierigen Abwägung, ob ein Ja zur Fair-Preis-Initiative besser sei oder ob doch der Gegenvorschlag, der vielleicht gewisse Schwächen ausbügelt. Aber aus all dem wird im Moment nichts. Wir haben keines dieser Geschäfte bis zur Schlussabstimmung gebracht, weil die Session bekanntlich nach zwei von drei Wochen abgebrochen wurde.
Klar ist nur, dass der Nationalrat als erstberatender Rat von der Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten», getragen von den jungen Grünen und der GsoA, nichts wissen will, er will auch keinen Gegenvorschlag ausarbeiten. Die Initiative will, dass weder unsere Nationalbank noch unsere Pensionskassen und Anlagestiftungen ihr Geld in der Produktion von Kriegsmaterial anlegen. Das Abstimmungsresultat sagt einiges aus über die Kräfteverhältnisse im Nationalrat. Viele Menschen haben ja das Gefühl, es würde nach der «grünen Welle» vom letzten Herbst jetzt mehrheitsfähig sein, den Anliegen einer Nachhaltigen Entwicklung zum Durchbruch zu verhelfen. Ausnahmslos alle Vertreterinnen und Vertreter der Grünen, der SP, der Grünliberalen und der EVP haben der Initiative zugestimmt. Trotzdem war das Resultat 87 : 105 gegen die Initiative.
Wie geht der Parlamentsbetrieb weiter?
Diese Frage wird euch sicher beschäftigen, und mich beschäftigt sie auch. In der aktuellen besonderen Lage angesichts der Corona-Epidemie geht der Bundesrat voran. Ich finde, er macht das gut. Aber was macht das Parlament? Zum Teil wurde dies in den Medien überspitzt dargestellt. Das Parlament ist nicht bloss im Warteraum. Die Finanzdelegation FinDel beider Räte hat bereits die wirtschaftsstützenden Massnahmen des Bundesrates bewertet und zum Teil auch präzisiert. Leider sind wir Grünen in der FinDel nicht vertreten .Die Kommissionen haben zwar in den allernächsten Wochen die Sitzungen absagen müssen, aber Entscheidungsvorbereitungen laufen dennoch. So wie’s aktuell aussieht, wird sich das Parlament in der Woche vom 13.-17. April zu einer Sondersession treffen, in der es gezielt um die Beratungen und Entscheidungen zur Bewältigung der Corona-Krise gehen soll.
Es stellt sich natürlich die Frage, was nun mit allen anderen Geschäften passiert, welche trotz des alles beherrschenden Themas an Bedeutung und Dringlichkeit nichts eingebüsst haben: Wird es gelingen, sie auf dem Radar zu halten? Wird auch die Klimabewegung ihren Schwung aufrecht erhalten können und sich mit weiteren Kräften verbinden, wie zum Beispiel mit den ökologisch und nachhaltig orientierten Landwirtschafts- und Ernährungsorganisationen anlässlich der Demo «Essen ist politisch» vom 22. Februar in Bern.
Nein – Covid-19 ist nicht gut fürs Klima, aber…
Ihr habt sicher auch schon die Aussagen gehört, vielleicht auch selber den Gedanken gehabt: Die Corona-Krise zwingt die Flugzeuge zu Boden, bindet die Schiffe an, drosselt die hochtourige Produktion: Das ist ja super fürs Klima! Sogar die Delphine kehren in die Kanäle von Venedig zurück. Ich meine: Diese Argumentation könnte ein Kurzschluss sein. Aber anstatt selber ausführlich darauf einzugehen, möchte ich auf den Blog-Beitrag von Augustin Fragniere hinweisen, der vorgestern publiziert wurde und auf den mich mein Walliser Parteikollege Christophe Clivaz aufmerksam gemacht hat. Diesen Blog finde ich unbedingt beachtenswert.
Abschliessend noch ein Wort zu «meinem» Thema, zur Transparenz des Polit-Lobbyings im Bundeshaus. Ihr erinnert euch, ich habe euch am Tag vor dem Sessionsstart die Zwischenbilanz geschickt, dass bis dahin 35 Zuschriften eingetroffen waren, welche uns Parlamentarier*innen mit konkreten Abstimmungsempfehlungen unter die Arme greifen. Bis zum Abbruch der Session ging es munter weiter: Schliesslich waren es sagenhafte 83 Zuschriften von Interessensgruppen, Firmen, Organisationen per Brief, Mail oder Tischpapier.
Nun wünsche ich euch von Herzen gute Gesundheit, viel soziale Nähe von zuhause aus und die angemessene Gelassenheit in dieser besonderen Zeit, die wir mit nichts vergleichen können, was uns unser Leben bisher geboten hat.
Hebed Sorg!
Felix
https://www.parlament.ch/de/biografie/felix-wettstein/4299
https://felix-wettstein.ch