Geschäfte mit Herzblut verteidigt: Rückblick auf die März-Session im Kantonsrat
Von Simone Wyss Send, Kantonsrätin, Biberist.
In der grünen Fraktion ist Doris Häfliger, Kantonsrätin seit 2009, wie angekündigt zurück getreten um neue Herausforderungen anzunehmen. An ihrer Stelle wurde Simone Wyss Send aus Biberist vereidigt.
Der Auftrag von Felix Wettstein, Grüne Olten, generell Behandlungen ambulant vor stationär gelten zu lassen und die Liste der Behandlungen in Spitälern, welche ambulant durchgeführt werden können, zu erweitern, wurde einstimmig angenommen: ein seltener Erfolg für die Grüne Fraktion. Dabei ist sich der Auftraggeber bewusst, dass diese Regelung Gefahren bergen kann und plädiert an das Urteilsvermögen der Ärzte und Fachpersonen, wenn z.B. bei älteren Personen eine ambulante Behandlung nicht angebracht ist. Dass mit Einsparungen von 2 Mio. gerechnet wird, hat den Antrag bestimmt begünstigt.
Hohe Wellen nicht nur auf der Aare, sondern auch im Kantonsratssaal, schlug das Veto der Grünen zur Schifffahrtsverordnung. Die Grüne Fraktion, mit Erstunterzeichner Christof Schauwecker, wollte mit diesem Veto bewirken, dass Motorboote im Naturschutzgebiet Emmenspitz flussabwärts wie in der bisherigen Regelung ein ganzjähriges Fahrverbot haben. Ausgenommen sind Fischerboote. Dieser Schutz erscheint vor allem wichtig, weil das Naturschutzgebiet als Überwinterungsplatz für Zugvögel und im Sommer zum Nisten von geschützten Vogelarten national wichtig ist. Auch im Hinblick darauf, dass der letzte Emmenabschnitt und die Aare in diesem Teil in den nächsten Jahren renaturiert wird und auf der Industriebrache der ehemaligen Cellulose Attisholz das Wohnprojekt Aarepark für 3000 Personen entstehen wird, wäre der bisherige Schutz die logische Weiterführung gewesen. Anders sahen das vor allem die FdP, SVP und die Hälfte der CVP, welche das Fahren für Motorboote mit 5km/h in einer schmalen Fahrrinne als unerlässlich und sogar die Bewegungsfreiheit des Menschen in Gefahr sahen. Spannend war das Votum von CVP-Kantonsrat Peter Brotschi, welcher sich sogar ein Rückbauen der Industriebrache Cellulose Attisholz und Renaturierung gewünscht hätte. Dies wäre schweizweit innovativ gewesen. Das Veto wurde letztendlich mit 54 zu 40 Stimmen abgelehnt. Die Grünen werden die Entwicklung in diesem Aareabschnitt im Auge behalten und beobachten, ob sich die neue Schifffahrtsverordnung bewährt.
Die Regierung hat im vergangenen Herbst ihren Legislaturplan 2017-2021 ausgearbeitet und legt ihn nun dem Kantonsrat zur Kenntnisnahme vor. Sämtliche Fraktionen unterstützen den Plan grundsätzlich. Die meisten der Planungsbeschlüsse, welche den Legislaturplan ergänzen sollten, fanden im Rat keine Mehrheit. Eine Ausnahme machten jedoch die Grünen: Ihr Antrag zur Förderung von selbständigen Wohnformen für Behinderte wurde mit 89 Ja-Stimmen angenommen. Der von SP/Junge SP vorgeschlagene Planungsbeschluss zum Verzicht auf die 65 Mio. Fr. teure Umfahrungsstrasse Thal wurde als nicht erheblich erklärt. Die SP/Junge SP kritisieren, unterstützt von den Grünen, dass diese teure Umfahrungsstrasse am Problem vorbei gebaut werde und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs für die Pendlerströme zu wenig beachtet werde. Im Gegenzug bekräftigte die Regierung, dass ein breites Mitwirkungsverfahren statt gefunden habe und der öffentliche Verkehr sehr wohl Teil des Konzeptes sei.
Der grosse Teil der Beratung am letzten Sessionstag nahm das revidierte Volksschulgesetz in Anspruch: Es ging um die Grundlagen der Speziellen Förderung (d.h. integrative Schulführung in den Regelklassen) einerseits und der Sonderpädagogik andererseits. Felix Lang führte im Namen der Grünen aus, dass es noch mehr Anstrengungen brauche, um möglichst alle Kinder integrativ zu führen, und dass es vor allem für die Gemeinden keine falschen finanziellen Anreize geben dürfe, die Kinder in die Sonderschule abzudrängen. Das Pièce de Résistance war dann jener Paragraph, gemäss dem nun im ganzen Kanton der integrative Unterricht an Stelle der früheren Kleinklassen eingeführt werden soll. Dabei haben jene Gemeinden, welche die integrative Förderung noch nicht in der Versuchszeit umsetzten, 4 Jahre Zeit für die Umstellung. Von den grösseren Gemeinden betrifft dies nur Grenchen. Nicht erstaunlich war deshalb, dass die kritischen Stimmen vor allem aus der Gegend um Grenchen kamen. Nach vielen engagierten Wortäusserungen zu grundsätzlichen Bildungsfragen nahm der Kantonsart das neue Gesetz mit 75 zu 18 stimmen an.
Engagiert diskutierte der Rat über die schwarze Liste säumiger Zahlender der Krankenkassenprämien (rund 25 Personen pro Jahr). Die Mehrheit waren der Überzeugung, dass Menschen auf der schwarzen Liste bereits mehrfach finanziell belastet sind und daher ihre Nennung auf der Liste nichts bringt, da es sowieso nichts mehr zu holen gibt. Im Gegenteil, die Betroffenen werden dadurch an den Pranger gestellt und es stehen ihnen nur Notfallbehandlungen zu. Grüne und SP/Junge SP sind sich einig, dass solche Menschen bereits frühzeitig unterstützt werden sollten und dass Angebote wie Schuldenberatung noch mehr gefördert werden müssten.
Von den verschiedenen Interpellationen gab vor allem diejenige der SVP zur Sitzverteilung in Fachkommissionen zu reden. Die SVP bemängelte, dass in kantonalen Fachkommissionen mehrheitlich die Mitteparteien vertreten sind und kaum Personen mit ihrem Parteibuch. Dieses Votum unterstützte auch Barbara Wyss der Grünen Fraktion. Sie kritisierte zusätzlich, dass es einige Personen gebe, die regelrechte „Ämtlihamsterer“ seien. Zwar werden sie nicht wegen ihrer Parteizugehörigkeit in die Kommissionen gewählt, sondern angeblich aus fachlichen Gründen. Es fällt auf, dass die FdP übermässig vertreten ist.